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                  Religion 
                  Weit davon entfernt, ein hinduistischer Monolith zu sein, ist 
                  Indien ein Land der vielen Glaubensrichtungen, und fast jede 
                  Religion findet man innerhalb seiner Grenzen. 
                   
                  
                  
                  Die Hindus 
                  Ist der zinnoberrote Punkt auf der Stirn der Frauen 
                  Kastenzeichen? Die meisten Besucher Indiens fragen sich nach 
                  der Bedeutung des Bindi, den Hindu-Frauen als Symbol ihrer Ehe 
                  tragen. Heute wird der Bindi als kosmetisches Accessoire von 
                  den Jungen und Unverheirateten verwendet, doch das 
                  Zinno-berrotpuder auf dem Scheitel unterscheidet immer noch 
                  die Verheirateten von den Ledigen, obwohl es mehr und mehr vom 
                  Ehering verdrängt wird. Man vergißt leicht, daß Sandelholz, 
                  Safranpaste und Vibhuthi (Asche) aus dem heiligen Feuer (ein 
                  wichtiges Element der Hinduzeremonien, das auf die Stirn 
                  aufgetragen wird) das Ende der Morgen -oder Abendgebete oder 
                  des Besuchs eines Tempels anzeigen. Horizontale oder vertikale 
                  Streifen auf der Stirn lassen zudem auf die religiöse Sekte 
                  des Trägers schließen.  
                   
                  Das Wort “Hinduismus” wurde von europäischen Reisenden und 
                  Händlern im 16. Jahrhundert geprägt. Und obwohl sich 80 
                  Prozent der Bevölkerung Indiens als Hindus bezeichnen, ist der 
                  Hinduismus nicht auf die gleiche Weise eine Religion wie das 
                  Christentum oder der Islam. Diese verkörpern einen präzisen 
                  Glauben an Jesus, den Sohn Gottes, und an Mohammed, den 
                  Propheten Allahs. Die Hindus glauben an eine Höchste Realität, 
                  verehren jedoch eine Vielzahl von Göttern. Es gibt keine 
                  göttliche Autorität, keine Absolutheiten wie gut, böse und 
                  Sünde, keine kanonischen Gesetze oder Gebote, keine Vergeltung 
                  oder Belohnung, keine gemeinschaftliche Anbetung, keinen 
                  Ruhetag oder einen bestimmten Tag, der Gott gewidmet ist. 
                  Obwohl der Glaube eine Sache persönlicher Überzeugung ist, 
                  existieren Tempel, Rituale und Priester, da der Hindu sich 
                  immer dann zum Tempel begibt, wenn er beten, Opfergaben 
                  darbringen oder einfach nur Freunde sehen möchte. Tempel sind 
                  im ländlichen Indien auch heute noch Mittelpunkt des 
                  alltäglichen Geschehens trotz moderner Treffpunkte wie Kinos 
                  oder Restaurants. Die Stille der ‘Frömmigkeit” ist einem Hindu 
                  Tempel fremd; eine stetige Kakophonie aus Musik, Gesang, nach 
                  Kindern rufenden Müttern, Waren anpreisenden Blumen -und 
                  Weihrauch Verkäufern prägt die Szene. Die Hindus besuchen ihre 
                  Götter, so wie sie Freunde besuchen! Priester kommen bei 
                  Geburten, Beerdigungen, Hochzeiten und besonderen Zeremonien 
                  zum Einsatz, da nur sie die religiösen Texte beherrschen. Doch 
                  die meisten frommen Anlässe sind Familienangelegenheiten und 
                  finden zu Hause statt. 
                   
                  Der Hinduismus läßt sich sehr schwer definieren oder erklären. 
                  Oberflächlich betrachtet ist er eine Religion mit allen 
                  dazugehörigen Ritualen und Zeremonien. “Als Glaube ist er 
                  amorph, vage, vielseitig, alle Dinge für alle Menschen” 
                  (Jawaharlal Nehru). Doch auf einer anderen Ebene ist er eine 
                  Lebensphilosophie. Gandhi sagte, er sei die “Religion der 
                  Wahrheit”, und fügte hinzu: “Ein Mensch mag nicht an Gott 
                  glauben. Und sich doch als Hindu bezeichnen. “In der Bhagvad 
                  Gita, einem für die Hindus heiligen Buch, das dem westlichen 
                  Konzept einer Offenbarungsschrift am nächsten kommt, heißt es: 
                  “Das Wesen einer jeden Person diktiert die Art ihrer Andacht: 
                  Ein Mensch ist, was sein Glaube ist.” Für Nehru war der 
                  Hinduismus “ein ethisches Konzept, das einen moralischen Kodex 
                  einschließt… “Dharma (Pflichten und Verantwortlichkeiten) 
                  bestimmt das ganze Leben Taten, Handlungen und die Arbeit. 
                  Wenn ein Mensch diese “vollends” mit “seinem Sein” ausübt, 
                  verwandelt er sie in einen “Ritus”, der wiederum zu Yajna 
                  führt (einer Transformation des inneren Wesens) die für die 
                  Hindus der Beginn Ist: das Gesetz hinter der Schöpfung. Der 
                  Bhagvad Gita zufolge kommen wir alle mit einer persönlichen 
                  Last von Pflichten auf die Welt, die ohne Hoffnung auf 
                  Belohnung ausgeführt werden müssen, denn dies ist unser Karma 
                  (das Gesetz von Ursache und Wirkung, das oft als Schicksal 
                  interpretiert wird). Doch diesem Schicksal wohnt nichts 
                  Unausweichliches oder Fatalistisches inne, denn die Hindus 
                  glauben, daß jeder Mensch mit sieben Wahlmöglichkeiten geboren 
                  wird, sieben Momenten in seinem Leben, in denen sich sein 
                  Karma verändern kann.  
                   
                  Der Glaube an die Wiedergeburt ist ein fundamentaler Aspekt 
                  des Hinduismus, “denn der Tod ist sich dessen sicher, “was 
                  geboren wird, und des Toten ist sich die Geburt sicher”. Es 
                  liegt eine  
                   
                  Bejahung des Lebens in diesem Gedanken, ein Ansporn zur 
                  Vitalität und der Freude am Leben, ohne sich unnötig über das 
                  Ende zu sorgen, denn das Selbst ist ewig. Der offensichtlich 
                  unvermeidbare Zyklus der Wiedergeburten kann auch gestoppt 
                  werden, und Moksha (Erlösung) ist durch “Loslösung, Disziplin, 
                  Begierdelosigkeit, Entsagung… “zu erreichen, welche die wahre 
                  Freiheit darstellen. Es mag zahllose Geburten und 
                  Wiedergeburten brauchen, um Nirvana (Glückseligkeit, das 
                  Einssein mit Brahma, der höchsten Realität) zu erreichen. Dies 
                  gelingt nur sehr wenigen Menschen. Der Mehrheit ist es 
                  möglich, eine höhere Stellung im nächsten Leben zu erhalten 
                  und das Schicksal durch Erfüllung des Dharma zu verändern. Und 
                  Himmel und Hölle kann man sich selbst wählen, da sie in diesem 
                  Leben existieren. Der Hindu fürchtet keinen obersten Richter – 
                  er hat sich nur sich selbst gegenüber zu verantworten. 
                   
                  
                  
                  Götter & Göttinnen 
                  
                   
                  Die Mythen und Legenden der Hindus und die bildliche Kunst der 
                  Tempel machen die Essenz hinduistischer Philosophie dem 
                  Ungebildeten zugänglicher. Die Götter und Göttinnen des 
                  Hindu-Pantheons sind sehr menschlich: Krischna stahl Butter 
                  aus der Speisekammer seiner Mutter und flirtete mit den Gopis 
                  (Kuhhirtinnen), Schiwa und Parvati stritten sich ständig, 
                  Durga und  
                  Ganesch werden in den Heimen ganz Indiens aufgenommen, wenn 
                  sie alljährlich vom Kailash (dem hinduistischen Olymp) 
                  herabsteigen, und Wischnu wird in menschlichen wie tierischen 
                  Formen immer wiedergeboren. Ihre lehrsamen Lebensgeschichten 
                  und Taten werden von fahrenden Sängern erzählt, im Tanz 
                  verkörpert sowie mittels der Ikonographie an Tempeln und 
                  Höhlenheiligtümern dargestellt.  
                   
                  Die wichtigeren Götter und Göttinnen sind leicht zu erkennen: 
                  Brahma, der Schöpfer, hat vier Köpfe und vier Hände. Er ist 
                  allsehend und allwissend. In jeder seiner vier Hände halt er 
                  einen Löffel, einen Topf Weihwasser, einen Rosenkranz und die 
                  Veden (das Buch des unendlichen Wissens). Brahma wird meist 
                  auf einem Lotus sitzend dargestellt, dem Symbol ewigen 
                  Friedens. Er wird selten verehrt, und der Tempel von Pushkar 
                  in Rajasthan ist eines der wenigen ihm geweihten Heiligtümer. 
                  Obwohl er der Schöpfer ist, wurde er aus Kailash vertrieben, 
                  weil er sich in seine eigene Tochter verliebt hatte. Brahmas 
                  Frau Saraswati, die oft auf dem Schwan Hamsa sitzt und eine 
                  Veena hält (ein Saiteninstrument), kommt mehr Bedeutung zu. 
                  Sie ist die Göttin der Wissenschaften, der bildenden Künste 
                  und des Intellekts. Die Götter werden mit der weiblichen Kraft 
                  Shakti assoziiert, ohne die das Männliche als unvollständig 
                  gilt.  
                   
                  Auf seinem Vahana (Fahrzeug) sitzt der mythologische Vogel 
                  Garuda, und auf der Schlange Ananta Nag schläft Wischnu, der 
                  Erhalter und Vermittler zwischen dem Höchsten Wesen und dessen 
                  Schöpfungen, denn er ist der mitfühlende. Er kehrt in 
                  verschiedenen Formen auf die Erde zurück. “um das 
                  Gleichgewicht wiederherzustellen”. Wischnu ist der Gott, von 
                  dem die zehn Avataren (Reinkarnationen) stammen: Matsya, der 
                  Fisch; Kurma, die Schildkröte; Varaha, der keiler, der die 
                  Göttin Erde vor der Sintflut rettete; und Narasimha, der 
                  Löwenmensch, der Hiranyakashipu besiegte, einen gämonischen 
                  Gott, der so mächtig war, daß er die Götter aus ihrer 
                  himmlischen Heimat verbannte. Wischnu ist Vamana, der Zwerg, 
                  der die unermeßliche Größe der Götter Mahabali offenbarte, dem 
                  Herrscher der drei Welten, der schnell zu einer Bedrohung für 
                  die Götter wurde. Doch in seinem Mitgefühl gab Wischnu 
                  Mahabali das Reich der Unterwelt und die zwei anderen Welten 
                  den Göttern zurück, Wischnu ist auch Parasuram. Der Held, der 
                  die Brahmanen von der Verfolgung durch die Kshatriyas 
                  befreite.  
                   
                  Die siebten und achten Avataren sind vielleicht die 
                  bekanntesten. Rama kam zu einer Zeit, da Ordnung, 
                  Gerechtigkeit und Moral einen Tiefstand erreicht hatten und 
                  Ravana, der König von Lanka, drohte, die Welt zu zerstören. 
                  Seine Geschichte erzählt das große Epos Ramayana. Rama wird 
                  Pfeil und Bogen tragend dargestellt und ist meist in 
                  Begleitung seines Bruders Lakshman und  
                  seiner Frau Sita, Inbegriffindischer Weiblichkeit. Der achte 
                  Avatar ist Krischna, die charmanteste und menschlichste von 
                  Wischnus Reinkarnationen: ein in einen Kuhhirten verwandelter 
                  Prinz. Lrischna sieht man als Steinskulptur oder auf Papier, 
                  Seide oder Palastmauern in einer Vielfalt von Situationen 
                  abgebildet: als Kind mit einer Portion Butter in der rechten 
                  Hand; als jungen Mann, den Schlangenkönig im Gewässer von 
                  Yamuna entwaffnend; Kuhhirten terrorisierend; auf Mount 
                  Govardhan, die Bewohner von Vrindavan vor dem Zorn Indras, des 
                  Regengottes, beschützend und eine Gefahr nach der anderen 
                  abwehrend. Er tanzt mit Gopis (Kuhhirtinnen), stiehlt ihre 
                  Kleidung, während sie baden, und hat immer seine Flöte bei 
                  sich. Er ist Krischna, der die Weisheit der Bhagvad Gita am 
                  Vorabens der Schlacht von Mahabharata Arjun offenbart; er ist 
                  Wischnu, der sagt: “Und jades Zeitalter ist Zeuge meiner 
                  Genurt; ich komme, um das Gute zu beschützen und das Böse zu 
                  zerstören.”  
                   
                  Der neunte Avatar soll Gautama Buddha sein, dessen Worte eine 
                  Ära des Konfliktes in ein Zeitalter des Friedens verwandelten. 
                  Und es wird eine zehnte Inkarnation geben, Kalki, einen 
                  Krieger auf einem weißen Pferd, der die Kräfte des Bösen 
                  zerstören und uns eine neue Welt bringen wird. Wischnus Gattin 
                  ist Lakshmi, die Göttin der Anmut und der Schönheit. Auch sie 
                  nimmt verschiedene Formen an, und wann immer Wischnu 
                  wiedergeboren wird, ist sie an seiner Seite.  
                   
                  Der dritte Gott der hinduistischen Trinität ist Schiwa oder 
                  Mahadeva, der größte aller Götter. Er repräsentiert die 
                  gewaltigen Energien des Universums und die Naturkräfte der 
                  Erneuerung. Schiwa ist der Zerstörer, und er kann auch 
                  wiederauferstehen lassen. Er gilt häufig als Schöpfer, da sein 
                  Kult mit der Fruchtbarkeit assoziiert wird und sein Symbol ein 
                  stilisierter Phallus ist. Bronzestatuen und Steinskulpturen 
                  stellen ihn dar: etwa auf Nandi, dem Stier sitzend und als 
                  Nataraja, den kosmischen Tänzer, der die Dynamik des 
                  schöpfenden Aktes und die Zerstörung des dämonischen Chaos 
                  symbolisiert. Schiwa hat verschiedene Arme, und in seinen 
                  Händen schwingt er Waffen, das Feuer der Zerstörung eine 
                  Trompetenschnecke, eine kleine Trommel, die das Alphabet 
                  darstellt, sowie ein Rad oder eine Scheibe, die den Zyklus von 
                  Geburt, Tod und Reinkarnation repräsentiert.  
                   
                  Schiwas Gattin ist Parvati, die Tochter des Himalaja, die 
                  Göttin der Liebe, der Schönheit und der Hingabe. Sie ist die 
                  oberste Mutter. Doch Parvati ist auch Kali die Schwarze, ein 
                  Messer in einer Hand, die auf einem Löwen reitet und eine 
                  Halskette aus abgeschlagenen Köpfen trägt. Diese stellen 
                  menschliche Eigenheiten dar: schlechte Taten, Schwächen und 
                  Laster. Sie wird mit Blutopfergaben verehrt, doch wenn man 
                  genau hinschaut, sieht man, daß eine ihrer Hände zum Segnen 
                  erhoben ist und eine andere zum Schutz. Parvati ist ebenso 
                  Durga, die Unbesiegbare, auf einem Tiger sitzend oder 
                  Mahishura tötend, den dämonischen Stier. Die Waffen, die sie 
                  in jeder ihrer zehn Hände hält, symbolisieren den Schutz vor 
                  dem Bösen. Parvati ist weiter Uma, die Ergebene, Bhairavi, die 
                  Mächtige, Ambika, die Mutter, Sati, die perfekte Gattin, und 
                  Gauri, die Intellektuelle und Philosophin. Parvati und Schiwa 
                  sind eins oder jeweils eine Hälfte des anderen und werden als 
                  Ardhanareshwaram dargestellt, als der Gott, dessen andere 
                  Hälfte eine Frau ist.  
                   
                  Brahma, Schiwa und Wischnu sind die drei Aspekte des einen 
                  Gottes, des Höchsten Wesens. Die Reinkarnationen von Wischnu, 
                  Lakshmi und Parvati sind Facetten einer einzigen Perfektion, 
                  denn zusammengenommen besitzen sie alle Kräfte und Tugenden 
                  des Guten.  
                   
                  Und dann gibt es die Tiere – der Stier, die Schlange, der Pfau 
                  – und die Götter in Tierform: Ganesch, der spitzbäuchige Gott 
                  mit dem Elefantenkopf, der von einer Ratte und Hanuman 
                  getragen wird, dem Affengott, dessen Affenarmee Rama dabei 
                  half, im Ramayana Ravana zu besiegen. Tiere spielen eine Rolle 
                  im Zyklus der Geburten und Tode, denn die Hindus glauben, daß 
                  nach dem Gesetz des Karma ein Mensch als Tier wiedergeboren 
                  werden kann und umgekehrt ein Tier als Mensch.  
                   
                  Es existiert eine Vielzahl anderer Götter: Indra, der Gott des 
                  Regens, Agni, das Feuer, Surya, die Sonne, Kama, Indiens 
                  Cupido, Kartikeya, der Gott des Krieges und Jagannath, der 
                  Gott des Universums. Es gibt Flußgöttinnen, Tiere, die mit 
                  Weisheit ausgestattet sind, und heilige Bäume. Sie sind alle 
                  Ausdruck eines Lebensraums, einer Umgebung, die von den alten 
                  Indern (meist Bauern) respektiert und geschützt wurde, da ihr 
                  Leben davon abhing. Indiens “heilige Kuh” hat auch mit diesem 
                  Respekt für die Natur und ihre Gaben zu tun. Die Kuh war der 
                  wertvollste Besitz der Bauern. Sie lieferte Milch, Butter, 
                  Käse und Quark und somit Nahrung für die ganze Familie – 
                  besonders dann, wenn die Männer in den Krieg zogen. 
                  Getrocknete Kuhfladen werden in den Dörfern immer noch als 
                  Brennmittel verwendet. Mit Wasser und Stroh vermischt, 
                  bedecken sie Böden und Wände, um das Heim sauber und 
                  insektenfrei zu halten.  
                  
                  
                  Shruti 
                  Die Legende von der Menschlichkeit eines Heiligen 
                  Yajnavalkya lag im Schatten des mächtigen Banyan der auch das 
                  Wasser im einzigen Brunnen des Dorfes vor den Sonnenstrahlen 
                  schützte. Er liebte es nicht sonderlich, wenn andere Menschen 
                  sich zu ihm gesellten und ihn durch ihr Geplapper in seiner 
                  Mittagsruhe störten. Besonders haßte er es, wenn Kinder 
                  herbeikamen und ihn, den Kavi, neckten. Und natürlich wußte er 
                  auch, was die Erwachsenen über ihn dachten und was sie 
                  sprachen, wenn er nicht zugegen war. So redeten sie über ihn, 
                  wie über all die anderen Kavis, die Brahmanen. Daß sie die 
                  Arbeit scheuten, daß sie hochnäsig seien, ja, einige wagten 
                  sogar zu behaupten, daß sie die Worte des Veda allzu oft zu 
                  ihren Gunsten auslegten. Yajnavalkya haßte die Nichtswürdigen. 
                  Sein einziger Trost war, daß sich im Denken des Volkes 
                  durchzusetzen begann, was er für die oberste und heiligste 
                  Aussage des Veda hielt: der Mund des Purusha wurde zum 
                  Brahmana, die Arme zum Kshatriya, aus den Schenkeln wuchs der 
                  Vaishya und der Shudra aus den Füßen. Freilich war diese 
                  Feststellung so noch nicht vollkommen. Das Volk verstand noch 
                  nicht ihre tiefere Bedeutung, denn man begnügte sich damit, 
                  die Herkunft der Menschen aus den jeweiligen Körperteilen 
                  Purushas nur mit deren Fähigkeiten in Verbindung zu bringen: 
                  der Shudra, der flink auf seinen Füßen war, schien bestens 
                  geeignet für Botendienste, der Vaishya, der mit kräftigen 
                  Schenkeln in die Ackererde trat, konnte doch nur Bauer sein, 
                  und wer eignete sich besser zum Soldaten und Befehlshaber als 
                  der Kshatriya mit seinen starken Armen? Der Brahmana 
                  schließlich, der von alledem nichts verstand, der aber 
                  wortgewandt war, er sollte die Opfersprüche im Gedächtnis 
                  behalten und die Götter preisen. Damit war nun keinesfalls 
                  gesagt, daß nicht auch der Sohn des Shudra zum Brahmana werden 
                  konnte, sofern er nur die Opferriten vollziehen konnte. Für 
                  Yajnavalkya dagegen hatte das Vedawort einen viel höheren, 
                  einen symbolischen Wert. Was bedeuteten ihm die Füße, die 
                  durch den Staub liefen, die Schenkel, die sich herabließen, 
                  wollüstig ein Weib zu umklammern, oder gar die Arme, die 
                  töteten? Rein war für ihn allein der Mund, waren er und alle 
                  die, die gleich ihm die heiligen Sprüche zu rezitieren 
                  vermochten. 
                   
                  Die Menschen jener Zeit machten sich von ihren Göttern kein 
                  Bild. Sie begriffen die Naturgewalten, die sie täglich vor 
                  Augen hatten, den Wind, den Wind, den Regen, das Feuer, als 
                  personifizierte Gottheit mit eigenem, vernunft- und 
                  moralbestimmtem Denken und Handeln. Aber sie liebten es, ihre 
                  Dichter, die Brahmanen, von den Göttern reden zu hören, von 
                  deren großen Taten und allge waltiger Macht. Diesen Göttern 
                  brachten sie Opfer dar, nicht weil sie sie fürchteten, sondern 
                  weil sie von ihnen eine Gegenleistung erwarteten. ,,Du, 
                  Brahmane, ich brauche eine Kuh. Morgen komme ich zu Dir und 
                  wir bringen Indra ein Opfer. “Yajnavalkya verabscheute solche 
                  Reden, und noch weniger konnte er ertragen, daß dieses naive 
                  Pack in ihm nicht mehr als einen Mittler sah. Sein Verhältnis 
                  zum Göttlichen war gänzlich anderer Natur. Er verehrte das 
                  Wort, die Sprüche des Veda, die die Grundlage der 
                  Opferhandlungen bildeten. Kult und Kosmos standen für ihn in 
                  unterennbarer Beziehung, und wenn er das Opfer richtig 
                  vollzog, so mußten die Götter ihm gehorchen. Damit war er der 
                  eigentliche Gott, der die Macht in Händen hielt, ein Gott in 
                  menschengestalt. Und mit ihm waren es die anderen Brahmanen. 
                  Wie der Mund nicht die Füße berühren soll, so geziemte es sich 
                  für den Gott nicht, den Shudra zu berühren. Was der Shudra 
                  beschmutzt hatte oder der Vaishya oder der Kshatriya, das war 
                  für den Brahmanen verdorben. So jedenfalls dachte Yajnavalkya. 
                  Es gab nun ein Zauberwort, dessen Faszination jeder erlegen 
                  war. Jeder, der dümmste Shudra wie der klügste Brahmana. 
                  Shruti hieß dieses Wort. Shruti war ,,das Hören“ und der 
                  Beweis für die Richtigkeit der Aussagen des Veda. Die Rishis, 
                  die heiligen Seher, hatten die Wahrheit von den Göttern selbst 
                  vernommen und den Menschen im Wort überliefert. Daß sogar 
                  Yajnavalkya, der ein arges Schlitzohr war und alles zu seinem 
                  eigenen Vorteil auszulegen verstand, nicht auf die Idee kam, 
                  die Rishis könnten ebensolche argen Schlitzohren wie er 
                  gewesen sein, das mag für die Macht des Wortes ,,Shruti“ 
                  stehen. Aber er war doch immerhin klug genug zu sehen, daß 
                  sich das Zauberwort dazu eignete, seine Geschicke in die von 
                  ihm gewünschten Bahnen zu lenken. Es lebte noch ein anderer 
                  Brahmane in dem Dorf, Uddalaka. Uddalaka war fett und behäbig, 
                  und man sagte ihm nach, daß er dem berauschenden Soma nicht 
                  nur bei den heiligen Riten zusprach. Yajnavalkya hatte sich 
                  oft gewundert, wie Uddalaka überhaupt die Gedichte des Veda im 
                  Gedächtnis behalten konnte, wo er doch sonst strohdumm war. 
                  Häufig versetzte diese Dummheit dem Gedankengebäude des 
                  Yajnavalkya einen so heftigen Stoß, daß es in seinen 
                  Grundfesten erschüttert wurde. Dann sah er seinen Freund von 
                  der Seite an und dachte bei sich, daß es wohl auch 
                  schwerfällige Götter geben müsse. Trotzdem war Uddalaka der 
                  einzige Mensch, mit dem zu reden er liebte, denn er war 
                  ebenfalls Brahmane. Wie er so unter dem Banyan lag, kam 
                  Uddalaka daher und hockte sich an seine Seite. ,,Sag, Uddalaka, 
                  findest Du nicht auch, daß dieser Baum nur uns beiden gehören 
                  müßte, damit wir hier ungestört ausruhen können, wann immer 
                  wir wollen? “Yajnavalkya kannte die Schwächen seines Freundes 
                  nur zu gut. Das war so recht nach dessen Geschmack, ein unter 
                  dem er träge vor sich hinschlummern durfte, ohne von den 
                  Kindern mit albernen Fragen belästigt zu werden. ,,Das finde 
                  ich auch“, antwortete er also, ohne dabei die Möglichkeit in 
                  Betracht zu ziehen, diesen Baum tatsächlich in Beschlag zu 
                  nehmen. ,,Und meinst Du nicht auch, daß wir damit das 
                  Besitzrecht haben müßten auf das Wasser, das vom Schatten 
                  dieses Baumes gekühlt wird?“ ,,Das wäre logisch“, kam die 
                  Antwort Uddalakas. Ob es nun wirklich logisch war oder nicht, 
                  darüber wollte er im Augenblick nicht nachdenken. Wenn sein 
                  Freund es sagte, so würde es wohl stimmen. ,,Recht hast Du!“ 
                  Indem Yajnavalkya so sprach, gab er dem behäbigen Uddalaka das 
                  Gefühl, es wären seine Gedanken, die da verhandelt wurden, und 
                  gleichzeitig schmeichelte er ihm. 
                  Uddalaka war nun, das wußte Yajnavalkya, offen für das, was 
                  folgen sollte. ,,Es ist auch nicht recht, daß einer seine Füße 
                  im Trinkwasser des anderen wäscht. Und eben das bedeutet es 
                  für uns, wenn ein Shudra aus diesem Brunnen schöpft. “Uddalaka 
                  nickte zustimmend, obwohl er die Zusammenhänge schon nicht 
                  mehr begriff. Was um alles in der Welt hatte nun dieser Banyan 
                  mit den Füßen eines Shudra zu schaffen? Mehr noch als diese 
                  Frage beschäftigte ihn ein Fliegenpaar, das derweil um seine 
                  Nase tänzelte. Yajnavalkya wußte, daß er jetzt nicht nachgeben 
                  durfte, sonst würde der träge Kumpan dieses Gespräch schon am 
                  nächsten Tag vergessen haben. ,,Weißt Du, Dein Sohn macht mir 
                  manchmal Sorgen. “Hier war Uddalakas wundester Punkt 
                  getroffen, und augenblicklich vergaß er die Fliegen und die 
                  Füße und den Banyan. Sein Sohn nämlich hatte alle schlechten 
                  Eigenschaften des Vaters geerbt und war darüber hinaus nicht 
                  einmal in der Lage, sich zwei Zahlen auf einmal zu merken, um 
                  so weniger die Gedichte des Veda. Man durfte ihn mit Fug und 
                  Recht einen Blödian nennen, ohne sich dabei Gewissensbisse 
                  machen zu müssen. Was sollte aus ihm werden? Zum Krieger oder 
                  Bauern war er zu schwach, und zu dumm war er gar für die 
                  einfachsten Dienste. Schickte man ihn Wasser holen, so hatte 
                  er bestimmt unterwegs den Krug zerbrochen und darüber 
                  vergessen, was er eigentlich sollte. Aber Uddalaka mochte es 
                  nicht, daß jemand schlecht über seinen Sohn sprach. Bevor er 
                  sich jedoch ereifern konnte, fuhr Yajnavalkya fort: ,,Wenn nun 
                  Dir dieser Baum gehören würde, so würdest Du ihn doch sicher 
                  Deinem Sohn vererben und dieses Wasser ebenso, oder?“ Sicher 
                  würde er das, so war es Recht. ,,Und wenn Du Brahmane bist und 
                  Dein Leben lang die Opferriten vollziehst und schließlich 
                  stirbst, läge es dann nicht nahe, Deinem Sohn Deine Würde zu 
                  übertragen?“ Eigentlich nicht, dachte Uddalaka bei sich, wo 
                  mein Sohn doch kaum einen Wasserbüffel von einer Milchkuh 
                  unterscheiden kann, aber so, wie Yajnavalkya es jetzt sagt, 
                  klingt es doch ganz vernünftig. ,,Ja, so wäre es“, gab er ohne 
                  hörbaren Nachdruck zurück. ,,Aber was werden die Leute sagen? 
                  Ich meine, mein Sohn ist vielleicht nicht der Richtig für 
                  dieses Amt.“ 
                  Yajnavalkya war nun genau dort angelangt, wo er hinwollte, 
                  Auch er war überzeugt, daß Uddalakas Sohn ein Trottel war, 
                  aber doch immerhin der Sohn eines Brahmanen, eines Gottes in 
                  Menschengestalt, dem Ehre gebührt und vor dem sich nach seiner 
                  Auffassung die niederen Varnas zu verneigen hatten. Wenn es 
                  ihm jetzt gelang, Uddalaka davon zu überzeugen, daß dies der 
                  Wille der Götter sei, dann würde es ihm auch gelingen, den 
                  anderen Menschen seinen Glauben einzuprägen, dessen war er 
                  sich gewiß. Und so brachte er in seine Rede die Waffe, gegen 
                  die auch er machtlos gewesen wäre, hätte er nicht gewußt, daß 
                  sie an dieser Stelle seiner eigenen Phantasie entsprungen war. 
                  ,,Shruti!“ sagte er. ,,Ich habe es vernommen. Ich habe 
                  vernommen, daß wir Brahmanen die oberste, gottgleiche Varna 
                  sind. Ich habe vernommen, daß sich unsere Würde auf unsere 
                  Söhne und Töchter vererben soll. Ich habe vernommen, daß es 
                  auf Ewigkeit so sein wird; daß wir zu verehren sind und mit 
                  uns das von uns gesprochene Wort.“ 
                  Hätte Uddalaka Augen gehabt für die Wirklichkeit, hätte er 
                  gespürt, wie lächerlich der unter dem Baum ruhende Freund mit 
                  seiner pathetischen Rede wirkte, er hätte am folgenden Tag 
                  alles vergessen gehabt und dem mißratenen Sohn die Ohren 
                  langgezogen, bis dieser begriffen hätte, was er im Leben zu 
                  leisten habe.Aber das Wort hatte ihn in seinen Bann gezogen. 
                  Ehrfurchtsvoll blickte er auf Yajnavalkya. ,,So bist Du ein 
                  Rishi!“ 
                  Yajnavalkya hatte sein Ziel erreicht. Er hatte Uddalaka, dem 
                  er immer noch mehr Intelligenz zutraute als den anderen 
                  Dorfbewohnern, überzeugt, daß es ein von den Göttern gewolltes 
                  Ordnungsprinzip gab, das die Brahmanen an die Spitze der 
                  Menschheit stellte. Daß er dabei Uddalakas Vorteil, der sich 
                  aus diesem Gefüge ergab, ins Feld führte, hatte keinen anderen 
                  Grund, als ins aus seinem trägen Halbschlaf herauszureißen. 
                  Für den Erfolg seiner Rede war entscheidend, daß er das 
                  Zauberwort nannte. Und dieses Wort würde auch die anderen 
                  beschwören. Shruti: die Götter wollen die Kasten. 
                  
                  
                   
                  Das Kastenwesen in Vergangenheit & Heute 
                  
                   
                  Weder in der Induskultur noch bei dem arischen Nomadenvolk 
                  kann eine Klassengesellschaft nachgewiesen werden. Erst als 
                  beide Völker aufeinandertrafen, zeigten sich mit der von den 
                  Ariern angestrebten Rassentrennung erste Ansätze jenes 
                  Systems, das später einer der wichtigsten Bestandteile des 
                  Hinduismus wurde. Mit dem weiteren Vordringen der Arier 
                  bildete sich ein Kriegerstand heraus, dann eine 
                  Priesterschaft, die über das heilige Wissen und die 
                  Kulthandlungen wachte. Jedem Arier stand der Zugang zu einem 
                  der drei Stände, also zu den Bauern und Hirten (Vaishyas), den 
                  Kriegern (Kshatriyas) und den Priestern (Brahmanas), offen 
                  doch war natürlich der Beruf des Sohnes durch den des Vaters 
                  zumeist vorausbestimmt. Die Ureinwohner blieben von dieser 
                  Ständeordnung ausgeschlossen. Man betrachtete sie als Diener (Shudras). 
                  Zu diesen rechnete man ferner auch Mischlinge oder degradierte 
                  Arier. Weiterhin gab es Unberührbare (Parias), das waren vor 
                  allen Eingeborenstämme, auf die die Arier erst in späteren 
                  Jahren stießen und die sie gar nicht mehr in ihr 
                  Gesellschaftssystem einbezogen, das nunmehr vier Varnas 
                  (,,Hautfarben“), also Priester, Krieger, Bauern und Diener, 
                  umfaßte. Der Begriff Varna zeigt schon an, daß im Laufe der 
                  Zeit die beiden einst getrennt von einander aufgetretenen 
                  Klassifizierungssysteme (zum einen nach dem Beruf, zum anderen 
                  nach der Rasse) zu einem einzigen zusammengelaufen waren: die 
                  Geburt bestimmte den Beruf und damit auch das Ansehen und die 
                  Macht des Einzelnen.An der Spitze der Gesellschft standen die 
                  Brahmanen, die sich bei der Rechtfertigung ihrer Position wie 
                  auch der gesamten Ordnung auf die heiligen Schriften beriefen. 
                  Jeder Varna obliegen bestimmte Pflichten, die sehr genau im 
                  sogenannten ,,Gesetzbuch des Namu“, einem etwa um die 
                  Zeitenwende abgeschlossenen Sammelsurium von 
                  Verhaltensmaßregeln, dargestellt sind. Wer gegen diese Gesetze 
                  verstößt, der hat nicht allein eine Bestrafung durch die 
                  höheren Kasten zu fürchten, sondern in schweren Fällen auch 
                  damit zu rechnen, aus der eigenen Varna ausgestoßen zu werden. 
                  Darüber hinaus wird er Vergeltung in seinem nächsten Leben 
                  erhalten. Wer dagegen seine Pflichten erfüllt, für den wird 
                  die eigene Varna in allen Notfällen sorgen, und er wird in 
                  seiner nächsten Existenz belohnt werden. So erklärt sich, 
                  warum nur selten Kritik am Kastenwesen laut wurde und warum 
                  die in unseren Augen entwürdigenden Pflichten von der 
                  niedrigen Varna so sklavische befolgt werden. Trotz aller 
                  Vorschriften konnte eine Vermischung der Rassen nicht 
                  ausgeschlossen werden. So bildeten sich innerhalb der vier 
                  Varnas die verschiedensten Untergruppen, die Jatis, die heute 
                  an die 3000 zählen. Je tiefer der Rang der Varna, desto mehr 
                  Untergruppen zählt sie. Es ist nun durchaus nicht so, daß in 
                  jedem Dorf, ja nicht einmal in jedem Bundesland alle 3000 
                  Jatis auftreten. Die meisten von ihnen sind eng auf ein Gebiet 
                  begrenzt. Eine eindeutig Rangfolge kann daher nicht 
                  aufgestellt werden. 
                  Der hohe Machtanspruch der Brahmanen, der sich aus ihrem 
                  influß auf das Opfer und damit auf die Götter ergab, wurde eit 
                  etwa dem 8. Jhdt.v.Chr. von den obersten der Kshatriyas, also 
                  von Adeligen, immer häufiger in Zweifel gezogen. Buddhas Lehre 
                  (6.Jhdt.v.Chr.) lehnt gar das gesamte Kastenwesen ab, doch 
                  war, als der Buddhismus unter Ashoka zur Staatsreligion wurde, 
                  das Kastenwesen schon so tief im Volk verankert, daß der 
                  Buddhismus dieses Gesellschaftssystem übernahm. Mit dem 
                  Ausklingen des Buddhismus im 5. Jhdt.n.Chr. suchten die 
                  Brahmanen ihre Vormacht wiederherzustellen, doch scheiterten 
                  ihre Bemühungen. Die Brahmanen behielten hohes Ansehen, aber 
                  die Macht lag in Händen von König und Adel. 
                  Die Toleranz, von der im Zusammenhang mit dem Hinduismus oft 
                  die Rede ist, ist ein Trugschluß. Es trifft zwar zu, daß 
                  Hindus – abgesehen von den geschäftstüchtigen Gurus der 
                  Neuzeit – niemals als eifrige Missionare aufgetreten sind, 
                  doch liegt dies vor allem daran, daß ihnen jeder Nichthindu 
                  als Unberührbarer gilt, der, wenn er nur seinen Schatten auf 
                  ein Haus wirft, dieses verunreinigt. Folglich ergaben sich mit 
                  dem Auftreten des Islam und später des Christentums in Indien 
                  große Spannungen. Die fremden Machthaber in Delhi, dann auch 
                  in Bombay und Calcutta fanden sich stets in der Rolle einer 
                  verachteten Minderheit. Übertritte zum Islam und Christentum 
                  kamen verständlicherweise fast nur bei den unteren Jatis und 
                  den Parias vor. Andererseits entwickelten beide Religionen auf 
                  indischem Boden ihrerseits Ansätze zum Kastenwesen. Die 
                  fortgesetzten Kontakte mit den islamischen und christlichen 
                  Kolonialherren mußten jedoch zumindest auch Änderungen in 
                  Bezug auf das mit dem Kastenwesen verknüpfte Ritual 
                  herbeiführen. So war es etwa dem indischen Diener nicht 
                  möglich, sich nach jedem Kontakt mit seinem britischen ,,Paria“-Herr 
                  rituell durch ein Bad zu reinigen. Vor allem im vergangenen 
                  Jahrhundert fehlt es nicht an grotesken Szenen, die sich aus 
                  dieser für die Hindus prekären Lage ergaben. 
                  In Mahatma Gandhi fanden die Parias, die längst schon unter 
                  einander Kastenabstufungen gebildet hatten, einen Fürsprecher. 
                  Er lehnte die Unberührbarkeit ab, war jedoch nicht gegen eine 
                  Kastenabstufung, da er erkannte, daß die Aufhebung des 
                  Kastenwesens einer Auflösung des Hinduismus gleichkäme. So war 
                  natürlich fraglich, wo die Hari jans (,,Kinder Gottes“), wie 
                  Gandhi die Parias nannte, im Kastensystem einzuordnen seien, 
                  wenn nicht am unteren Ende, was wiederum gleichbedeutend mit 
                  dem Status quo war. Das unabhängige Indien suchte diese Frage 
                  zu lösen, indem es den sogenannten ,,Schedulded Castes and 
                  Tribes“ eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstellen zuerkannte, 
                  die ihnen einen finanziellen und gesellschaftlichen Aufschwung 
                  verschaffen sollten. Dies setzt voraus, daß das Kastenwesen – 
                  zumindest in den Städten – als eine von der Klassengesellschft 
                  abgelöste, archaische Institution zu betrachten ist. 
                  Tatsächlich aber durchdringen heute beide Gesellschaftssysteme 
                  einander, was an nachfolgendem Zeitungsausschnitt deutlich 
                  gemacht werden soll. 
                  Die Kaste, das verderbliche Erbe von Pritpal Singh Sandhu aus 
                  ,,The Hindustan Times“ vom 3. Feb. 1980, Es ist ein Erbe der 
                  Hindu-Religion, abgesegnet durch ,,Manu Smriti“ (Gesetzbuch 
                  des Manu), daß sich das Kastensystem zu solchen Ausmaßen 
                  entwickelt hat, daß den sogenannten ,,Shudras“ sogar der 
                  Zugang zu den Häusern und Tempeln der wohlhabenden indischen 
                  Familien verweigert wurde. So tief war die Würde dieser 
                  schuftenden Massen gesunken, daß sogar eine versehenfliche 
                  Berührung eines von ihnen nach ,,Hawan“, ,,Puja“ oder anderen 
                  Reinigungsritualen der Oberschicht Snobs verlangte. Und genau 
                  die Leute, die seit Anbeginn der Zivilisation geschuftet 
                  hatten, sahen sich nun als Unberührbare klassifiziert. (Der 
                  Verfasser verwechselt Shudras mit Parias. In indischen Städten 
                  geraten die korrekten Bezeichnungen mehr und mehr in 
                  Vergessenheit). 
                  Gandhi, in Anerkennung ihrer Dienste und Leiden, nannte sie 
                  Harijans – Kinder Gottes – da sie jahrhundertelang anderen 
                  Menschen so selbstlos gedient hatten. 
                  Um die uralte unterdrückung wiedergutzumachen, willigte unsere 
                  Verfassunggebende Versammlung ein, daß ein bestimmter 
                  Prozentsatz von Posten und Diensten für die Schedulded Castes 
                  and Tribes reserviert werde, legte aber für die Reservierung 
                  eine Zeitspanne von nur zehn Jahren fest. Kastentum und 
                  verbriefte Interessen sind jedoch so tief verwurzelt, daß in 
                  den ersten zehn Jahren wenig erreicht wurde, und das Parlament 
                  mußte diese Vorschrift zweimal verlängern. Wenn das Parlament 
                  im Januar 1980 zusammenkommt, wird es der Angelegenheit erneut 
                  gegenüberstehen. 
                  Der zu berücksichtigende Punkt ist, warum die Anhebung der 
                  Harijans noch nicht erreicht wurde und wo die Hinderungsgründe 
                  liegen. 
                  Es ist wohlbekannt, daß sich die Bedingungen für Harijans seit 
                  den Tagen vor der Unabhängigkeit wenig geändert haben; ja, die 
                  Unterdrückung hat sogar zugenommen und es werden immer noch 
                  Grausamkeiten an ihnen verübt. Ihr einziger Trost ist das 
                  Lippenbenkenntnis der Demagogenpolitiker, die um Wählerstimmen 
                  kämpfen. 
                  Haben unsere Politiker den Grund für das Scheitern ihrer 
                  Vereinbarungen gefunden? Selbst wenn, so scheint doch 
                  politische Bedachtsamkeit ihre Weisheit eher zu lenken als die 
                  Interessen der Nation. Wie dem auch sei, die Mängel bei der 
                  Umsetzung jener Vorschrift in die Praxis liegen offen. 
                  Unmittelbar nach der Unabhängigkeit bedienten sich diejenigen 
                  Schedulded Castes-Familien, die bereits über eine bessere 
                  Ausbildung verfügten, des reservierten Quoten-Systems und 
                  profitierten in reichlichem Maße davon. Sobald sie aber von 
                  ihrer Chance Gebrauch gemacht hatten, wurden sie selbst zu 
                  einer privilegierten Klasse und verfügten schließlich samt 
                  Kind und Kegel über 90% der Arbeitsreservierungsquoten. 
                  Während ihre Söhne und Töchter IAS-und Class I-Beamte 
                  (mittlere bis hohe Beamtenränge in Indien) wurde, blieb die 
                  Masse der Harijan-Gemeinschaft, auf dem Lande und sogar in den 
                  Städten, völlig unberührt. Infolgedessen erwies sich die 
                  Hilfe, die in der Verfassung vorgesehen war, in Bezug auf die 
                  ursprünglich angestrebte Angleichung als ineffektiv. 
                  Die jenigen der Schedulded Castes, die dadurch begünstigt 
                  wurden, daß sie im Regierungsdienst in die übergeordneten 
                  Class III-, Class II- und Class I-Positionen gelangten, haben 
                  sich eine soziale und finanzielle Stellung gesichert, die es 
                  ihren Kindern gestattet, eine gute Ausbildung zu bekommen, ins 
                  Ausland zu gehen und Zutritt zu allen Privilegien moderner 
                  Lebensweise zu erlangen. Sie befinden sich damit natürlich in 
                  einer weit besseren Position als die Kinder der Harijans in 
                  ländlichen Regionen, die mit einem Existenzminimum leben, 
                  versunken in Unwissenheit und Rüchständigkeit. In gewisser 
                  Weise hat es diese Elite der Harijan-Gesellschaft–was die 
                  wirtschaftlichen Bedingungen der Familie und den Zutritt zum 
                  modernen Leben anbelangt sogar besser als einige der 
                  sogenannten Oberschicht. Das Gemeinschaftsgefühl der 
                  Hindu-Familie bricht unter den Spannungen und der Last der 
                  Moderne schnell auseinander. Die wirtschaftlich rückständigen 
                  Glieder der oberen Kasten bekommen nur mehr wenig 
                  Unterstützung von ihren wohlhabenden Verwandten, und es gibt 
                  in dieser ,,Oberschicht“ keine Gemeinschaft und keinen 
                  Kastenschutz mehr wie in früheren Tagen. Darum ist es in 
                  Wirklichkeit die wirtschaftliche Rückständigkeit und nicht die 
                  Kaste, die das Kriterium für eine Arbeitsplatz-Reservierung 
                  sein sollte. 
                  Ist es nicht Heuchelei höchsten Grades, wenn der Sohn oder die 
                  Tochter eines Unionsministers, der zwei Jahrzehnte und mehr im 
                  Amt gewesen ist, Anspruch auf hohe Regierungsämter oder einen 
                  Platz in der Medizinischen Hochschule allein auf der Grundlage 
                  der Zugehörigkeit zu einer Schedulded Caste erhebt und so die 
                  Türen vor der wahren Schedulded Caste unserer Zeit 
                  verschließt? Die blinde und gedankenlose Anwendung der gut 
                  gemeinten Verfassungsbeschlüsse verewigt die Beamtung 
                  nichtbedürftiger Kandidaten und setzt die Rechte aller zurück, 
                  die Anerkennung verdienen und die der Eckpfeiler jeder 
                  Gesellschaft sind, der die Bezeichnung ,,Gesellschaft“ 
                  gebührt. 
                  Ein weiterer unerwünschter Effekt der Gesetzesauflage war die 
                  Verhärtung des Kastensystems. Die Etablierung von Harijan 
                  Kolonien hat eine striktere Isolation für diese Leute bewirkt 
                  und entfernt sie weiter vom Kern der Nation. Ferner führte die 
                  gedankenlose Anwendung dieser Verfassungsvorschrift dazu, daß 
                  es eine elitistische Gruppe (der Harijans) vorzog, sich noch 
                  mehr von anderen Schedulded Castes zu distanzieren, als dies 
                  von den oberen Kasten praktiziert wurde. Diese Gruppe ist zu 
                  einer überprivilegierten und exklusiven Gesellschaft geworden.
                   
                  Von den Sozialwissenschaften wurde einwandfrei nachgewiesen, 
                  daß jegliche Rückständigkeit, die Staatliche Deckung genießt, 
                  zur Verewigung neigt. Wenn demnach diese Protektion nicht 
                  Schritt für Schritt abgebaut wird, die Nutznießer nicht 
                  gezwungen werden, sich um Unabhängigkeit und Streben nach 
                  herausragenden Leistungen zu bemühen, dann wird die 
                  Lebensfähigkeit der hanzen Nation ernsthaft bedroht sein. 
                  Verdienste allein können letztlich die Nation stärken und sie 
                  zu einer lebensfähigen Einheit im Zusammenleben der Nationen 
                  machen. 
                  Früher gab es für die Schedulded Castes and Tribes nur 
                  Reservierungen im Anfangsstadium, also für die Beamtung 
                  selbst. Später bestimmte die Regierung auch Reservierungen bei 
                  Beförderungen um den geforderten Prozentsatz aufrechterhalten 
                  zu können, und erachtete damit solche Beförderungen 
                  unkorrekterweise als anfängliche Anstellung. Dies hat der 
                  Verwaltungsmaschinerie großen Schaden zugefügt, da viele 
                  nichtbedürftige Schedulded Caste-Kandidaten über Nacht in 
                  höhere Positionen kletterten, für die sie weder die Fähigkeit 
                  noch die notwendige Erfahtung besaßen. Abgesehen davon, daß 
                  ihre Inkompetenz sich auf die Effektivität der Verwaltung 
                  auswirkt, hat diese auch Neid bei anderen Beschäftigten 
                  ausgelöst. Sie wurden ihrer Beförderung in jene Ränge beraubt, 
                  die ihnen nach Dienstalter und Erfahrungen, die sie durch den 
                  Einsatz von Jahren harter Arbeit erworben hatten, zustanden. 
                  Dies hat eine zersetzende Gleichgültigkeit in allen 
                  Diensträngen her vorgerufen, die sich allmählich in die 
                  Effektivität des Systems hineinfrißt. An diesem entscheidenden 
                  Zeitpunkt unserer Geschichte stellt die Rettung unserer Nation 
                  vor der Degenerierung menschlicher Werte ein ernstes Problem 
                  und eine Heraus forderung dar. 
                  Es ist unerläßlich, daß sich unser oberstes Organ – das 
                  Parlament – ein aufrichtiges, wohl erwogenes und pragmatisches 
                  Bild des gesamten Entwurfes macht, wenn es das Gesetz des 
                  Reservierungssystems 1980 erläßt. Folgende Anregungen werden 
                  zur Berichtigung der maßgebenden Nachteile aufgeboten. 
                  Reservierungen für die Schedulded Castes and Tribes sollten 
                  mit sofortiger Wirkung von 25 (mittlerweile fast 50%) auf 15% 
                  reduziert werden, und das auch nur für die anfänglichen 
                  Stadien des Beschäftigungs verhältnisses. Bei Beförderungen in 
                  ausgewählte Ränge sollten keine Reservierungen vorgenommen 
                  werden. Schedulded Castes-Angestellte müssen eine Beförderung 
                  wie jeder andere durch harte Arbeit und den Erwerb notwendiger 
                  Fähigkeiten erlangen. 
                  Die Familien aller Schedulded Castes-Angestellten, die bereits 
                  in einen der amtlich bekanntgegebenen Bundes- oder Landes 
                  regierungsränge aufgenommen wurden, sowie Class III-Beamte, 
                  die in der Gehaltsgruppe von Grundgehalt und dar über 
                  gearbeitet haben, sollten hinsichtlich der Reservierung von 
                  der Klassifikation als Schedulded Castes and Tribes 
                  ausgenommen werden. 
                  Ebenso sollten alle Politiker, die den Status von MLAs , MPs (Member 
                  of Parliament) oder Ministern mehr als fünf Jahre lang 
                  genossen haben, der Klassifikation als Schedulded Castes and 
                  Tribes enthoben werden. 
                  Zehn Prozent der Posten in Regierungsdiensten, öffentlichen 
                  Vorhaben und auch der Reservierungen in bundesstaatlichen 
                  Institutionen sollten nur auf der Basis von wirtschaftlicher 
                  Rückständigkeit zugesprochen werden und allen Kasten 
                  offenstehen. 
                  Um die Abschwächung des Kastensystems zu fördern und es 
                  schließlich zur ,,Nichtangelegenheit“ (non issue = nicht mehr 
                  existierender, nicht mehr relevanter Programmpunkt. zu machen, 
                  sollte zu Eheschließungen zwischen den Kasten ermutigt werden 
                  und es sollten all diesen jungen Paaren Gehälter für eine 
                  Periode von fünf Jahren zuerkannt werden, als Kompensierung 
                  der Unannehmlichkeiten, die ihnen durch rigide, kastenbewußte 
                  Familien dafür aufgebürdet werden, daß sie sich außerhalb 
                  ihrer Kaste verheiratet haben. 
                  Um Verdienststreben zu fördern, ist es entscheidend, daß alle 
                  nationalen Stipendien auf zentraler und bundesstaatlicher 
                  Ebene lediglich aufgrund von Leistungen, ohne Rücksicht auf 
                  den finanziellen Status der Eltern der Studenten, vergeben 
                  werden. 
                  Es könnte davon getrennte Stipendien, Gehälter und Zuschüsse 
                  ausschließlich für die Schedulded Castes und die wirt 
                  schaftlich rückständigen Klassen geben. 
                  Den Reisenden interessiert zumeist, woran er nun die einzelnen 
                  Kasten erkennen kann. Dies ist aus mehreren Gründen sehr 
                  schwer zu beantworten. Zunächst gibt es ja in Indien, wie 
                  bereits gesagt, ca. 3000 Jatis (das Wort ,,Kaste“ haben erst 
                  die Portugiesen im 15. Jhdt. eingeführt), von denen die 
                  meisten nur regional auftreten. Im engen Kreis des Dorfes, wo 
                  jeder jeden kennt, ist eine besondere Kennzeichnung der Jatis 
                  nicht not-wendig. Dei Überschaubarkeit führte dazu, daß die 
                  jeder Jati zugeordneten Rechte und Pflichten sehr viel 
                  gewissenhafter eingehalten wurden und werden als in Städten, 
                  wo sich im übrigen auch der Einfluß von Seiten der Briten 
                  starker bemerkbar machte. Dort wo die Vorschriften eingehalten 
                  werden, kann der Eingeweihte von Gepflogenheiten eines jeden 
                  Hindus auf dessen Jati schließen. Dem Laien wird dieser Schluß 
                  nicht allein durch die hohe Zahl der Jatis erschwert,Sondern 
                  auch durch den Umstand, daß sich viele Lastenvorschriften 
                  regional sehr verschieden ausbildeten, so daß etwa ein Wäscher 
                  in Karnataka andere Pflichten zu erfüllen hat als einer in 
                  Bihar. Auch Inder auf Reisen werden sich in einem fremden 
                  Bundesstaat hier und da nach der Jati ihres Gesprächspartners 
                  erkundigen. Bildung war lange Zeit ein Kriterium für die 
                  Herkunft. Schließlich konnten und durften einst nur die 
                  Brahmanen die heiligen Texte lesen, und den Parias war 
                  jeglicher Schulbesuch untersagt. Heute verwischen die Grenzen, 
                  denn zum einem ist jedem der Schulbesuch gestattet, zum 
                  anderen bedeutet Bildung nicht mehr das Wissen um den Inhalt 
                  der Veden. Wohlstand zeigte nie eindeutig die Kaste an. So gab 
                  es stets völlig verarmte Brahmanen oder auch sehr reiche 
                  Vaishyas (z.B. Händler). Auch Shudras und selbst Parias 
                  konnten zu einem gewissen Wohlstand gelangen. Die 
                  Identifizierung einer Jati wird weiter dadurch erschwert, daß 
                  heute das Kastenwesen von Indern in sehr unterschiedlichem 
                  Maße anerkannt, bzw. daß es gar geleugnet wird. Die Skala 
                  reicht vom orthodoxen Brahmanen bis hin zu jenen, die sich 
                  einer Kaste gar nicht mehr bewußt sind oder sein wollen, womit 
                  sie im übrigen auch gleichzeitig ihre durch die 
                  Kastenzugehörigkeit garantierte soziale Sicherheit aufgeben. 
                  Als eindeutige Kastenerkennungsmale bleiben die heilige Schnur 
                  der oberen Varnas (Sakramente) und der Familienname (sehr 
                  typisch etwa der Name Singh für einen Kshatriya, aber auch für 
                  einen Sikh). Auch die Anzahl der Stockwerke eines Wohnhauses 
                  kann über die Varna seines Besitzers Auskunft geben (von vier 
                  für Brahmanen zu einem des Shudra). In Nordindien ist häufig 
                  die Hautfarbe gleichbedeutend mit der Kaste, denn bei 
                  Dunkelhäutigen handelt es sich oft um Nachfahren der 
                  Ureinwohner und damit um Shudras oder um Parias. 
                  Wenn wir hier so ausführlich auf Erkennungsmerkmale einge hen, 
                  so geschieht dies, weil bei jedem Reisenden durch die 
                  Berührung mit der fremden Kultur, also auch mit Kastenregeln, 
                  Neugier geweckt wird, die es um des Verständnisses Willen zu 
                  befriedigen gilt. Wer erkennt, mit wem er zu tun hat, der wird 
                  auch eher dessen Verhalten verstehen. 
                  
                  
                   
                  
                  
                  Neue Religionen 
                  
                   
                  Im 6. Jahrhundert v. Chr. kamen zwei neue Religionen in Indien 
                  auf: der Buddhismus und der Jainismus. Die Sikh-Religion 
                  gesellte sich sehr viel später, im 16. Jahrhundert, hinzu. 
                  Alle drei sind Abweichungen von der alten vedischen Religion 
                  Hinduismus; sie traten zu einer Zeit in Erscheinung, da der 
                  philosophische Inhalt des Hinduismus gegenüber Zeremonien und 
                  Ritualen in der Hintergrund trat. Die Brahmanen hatten 
                  jahrhundertelang sowohl die politische als auch die geistige 
                  Macht innegehabt, und es lag in ihrem Interesse, die Menschen 
                  ungebildet zu halten. Rassentrennung und Diskriminierung 
                  hatten das Kastensystem unterhöhlt. Die Ideale des Dharma und 
                  Karma wurden vom Hokuspokus des Aberglaubens ersetzt.  
                   
                  Mehr über die Religion Hinduismus erzählt Ihnen vor Ort Ihr 
                  Indo Vacations-Reiseleiter ! 
            
                  
                  
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